Fahrradfahren in Berlin Schnell und sicher ans Ziel

Neue Radrouten sollen die Berliner Außenbezirke besser mit der Innenstadt verbinden. Im Interview erläutert InfraVelo-Geschäftsführerin Katja Krause, welche Herausforderungen es noch zu meistern gilt.

29. März 2022
Außenaufnahme: Fahrradfahrender auf Radweg, links Straße mit Autos, rechts Gehweg

Keine Parkplatzsuche, kein Ärger über hohe Benzin­preise und dazu noch Bewegung an der frischen Luft: Das Fahrrad ist für viele Berliner*innen das ideale Verkehrsmittel. Mit ihrem Mobilitäts­konzept möchten Senat und Bezirke die Bedingungen für Fahrrad­fahrer*innen weiter verbessern, zum Beispiel mit breiten, teilweise durch Poller abgesicherten Radspuren. Auch mehr Fahr­rad­ständer soll es geben. 

Katja Krause unterstützt die Politik bei der Umsetzung solcher Projekte. Sie ist Geschäfts­führerin von InfraVelo, einer Tochter­gesellschaft der landes­eigenen Grün Berlin GmbH. Als Dienst­leister und Partner für das Land Berlin plant das Unternehmen bezirks­über­greifende Maßnahmen für eine bessere Rad­verkehrs­infra­struktur, darunter auch Rad­schnell­verbindungen, die die Außen­bezirke mit der Innen­stadt verbinden sollen. Hallo Nachbar sprach mit der Bauingenieurin über den Fortschritt dieses beispiel­haften Projektes, über Parkhäuser für Fahrräder und sichere Radwege.

Porträt einer Frau mit Brille

Katja Krause von InfraVelo

Nur elf Prozent der Strecken werden in Deutschland mit dem Rad zurück­gelegt. Wie kann diese Art der Fort­bewegung attraktiver werden?
Katja Krause: Die Wahl des Verkehrs­mittels ist eine zumeist rationale Entscheidung. Menschen wollen sicher, bequem und schnell an ihr Ziel gelangen. Auf gut ausgebauten und ausreichend breiten Radwegen kann das mit dem Rad erreicht werden. Dann entscheiden sich auch mehr Menschen für das zudem kosten­günstige Fahrrad.

Was macht das Rad zu einem idealen Verkehrs­mittel für die Stadt?
Mit dem Fahrrad ist man flexibler und man braucht weniger Raum. So gibt es mehr Platz für alle und weniger Stau, Lärm und Abgase. Mit guten Verbindungen ohne viele Knotenpunkte und mit bevorzugten Ampel­regelungen hat man sogar auf längeren Strecken Vorteile gegen­über BVG und Auto. Außerdem tut jede*r sich etwas Gutes, denn Fahrrad­fahren stärkt die Gesundheit. 

Mit welchen Maßnahmen lässt sich die Sicherheit von Fahrrad­fahrer*innen erhöhen?
Da gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, allen voran natürlich gut ausgebaute Radwege, die getrennt vom Auto­verkehr geführt werden oder auf denen Rad­fahrer*innen Vorrang haben. Bei den Rad­schnell­verbindungen, die wir derzeit für das Land Berlin planen, ist genau das unser Schwer­punkt. Sie werden in puncto Schnelligkeit, Sicherheit und Komfort eine echte Alternative zum Auto sein. Es ist aber wichtig zu wissen, dass sie keine „Fahrrad­auto­bahnen“ und auch nicht auf Rennrad- und Schnell­fahrende ausgerichtet sind. Vielmehr geht es darum, attraktive Wege für Radfahrende im Alltags­verkehr zu schaffen. 

Welche Vorteile bringen diese Wege neben der Schnellig­keit noch mit sich?
Sie sind vor allem im Alltagsverkehr besonders attraktiv: Mit einer Breite, die Überholen ermöglicht, kann man auf ihnen lange Strecken im städtischen Raum in kurzer Zeit zurücklegen. Dies vor allem dadurch, dass Haltezeiten an Knoten­punkten minimiert werden. Außerdem verlaufen Rad­schnell­verbindungen vom Fußverkehr getrennt, sind gut beleuchtet und in der Regel asphaltiert. Die Belange der Anwohner*innen, die auf ein Auto angewiesen sind, können durch Fahrradstraßen berücksichtigt werden.

Auf welchen Strecken könnte es künftig Rad­schnell­verbindungen geben und bis wann werden sie voraus­sichtlich fertig gestellt?
Für Berlin werden derzeit zehn mögliche Rad­schnell­verbindungen untersucht. Sie verbinden die Außen­bezirke mit dem Innen­stadt­bereich und sind über den gesamten Stadtraum verteilt. Die Planungen sind sehr komplex und wir beteiligen in verschiedenen Prozess­schritten viele Akteur*innen aus Verwaltungen in den Bezirken und von Interessens­verbänden. Eine verbindliche Aussage über die Fertig­stellungen ist derzeit nicht möglich, denn die Genehmigungs­verfahren sind umfang­reich, aufwendig und noch nicht abgeschlossen.

Eine Übersicht der Trassen zwischen den einzelnen Bezirken

 

Welche Herausforderungen gibt es bei der Planung und Umsetzung?
In einer Stadt wie Berlin sind große Projekte wie Rad­schnell­verbindungen immer eine enorme Aufgabe. Es gibt viele unterschiedliche Interessen. Deshalb sind vor allem die Genehmigungs­verfahren eine Heraus­forderung. Auch die Begründung für den Bedarf einer Rad­schnell­verbindung ist nicht so einfach, denn bislang gibt es einfach zu wenig Verkehrs­daten für den Radverkehr. Außerdem benötigen auch andere Verkehrs­gruppen Raum und es gibt gute Argumente auf allen Seiten. Auf Sonder­wegen gibt es zudem wichtige Belange des Natur- und Arten­schutzes, die wir zwingend beachten müssen und wollen. Auch die Versiegelung von Flächen muss angemessen ausgeglichen werden. Hierfür müssen wir im Nahbereich Möglichkeiten finden. Das ist sehr schwierig in einem dicht besiedelten Raum wie Berlin.

Durchschnittlich 60 Fahrräder werden in Berlin pro Tag als gestohlen gemeldet. Wie lässt sich diesem Problem begegnen?
Berlin braucht Abstellanlagen und auch größere Fahrrad­park­häuser, um den Bedarf an Stell­plätzen bis 2030 zu decken und so das Abstellen von Fahrrädern sicherer und bequemer zu machen. Das ist auch im Mobilitäts­gesetz verankert und die Bezirke sind da bereits sehr aktiv. Bei infraVelo liegt der Schwerpunkt auf den ÖPNV-Stationen. Denn viele Bürger*innen wechseln dort das Verkehrs­mittel und kombinieren ÖPNV und Rad. Wir haben hierzu alle S- und U-Bahnhöfe Berlins analysiert und auch Befragungen durch­geführt, um vor Ort ein Meinungs­bild von Nutzer*innen aufzunehmen. Zu neuen Abstell­anlagen gehören dann auch gesicherte Stell­plätze, für die wir derzeit ein einheitliches Buchungs-, Zugangs- und Abrechnungs­system entwickeln. Es bietet Rad­fahrenden künftig einen einfachen, schnellen und flexiblen Zugang zu gesicherten Abstell­möglichkeiten in ganz Berlin. Technisch wäre es möglich, das System auch für Sammel­schließ­anlagen an Wohn­anlagen, öffentlichen Gebäuden wie etwa Schulen oder Sport- und Kultur­einrichtungen zu nutzen. 


Aufmacherbild: iStock


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