House of Queers Berlin „Wir sind ein Leuchtturm“
Das House of Queers Berlin bietet einen sicheren Raum für die LGBTQ+-Community. Gründer Andreas Otto erklärt, warum solche Orte unverzichtbar sind.

Das House of Queers Berlin im Märkischen Viertel ist ein sicherer Treffpunkt für die LGBTQ+-Community. Seit 2022 schafft der Verein Regenbogen Reinickendorf hier mit Unterstützung der GESOBAU einen geschützten Raum für queere Menschen. Gründer Andreas Otto spricht über die Bedeutung solcher Orte, Herausforderungen im Alltag und eine besondere queere Tomate.
Interview mit Andreas Otto, Gründer des House of Queers Berlin
Herr Otto, Sie leben schon lange offen schwul in Berlin. Gibt es für Sie noch Gegenden, wo Sie Angst haben?
Überall, wo Menschen sich falsch verhalten, kann es zu Angsträumen kommen. Berlinweit gesehen, gehören für mich vereinzelte Teile von Neukölln dazu. Auch wenn es dort queere Institutionen wie das SchwuZ gibt, in dem Partys gefeiert werden, mag es in anderen Regionen des Bezirks gefährlicher sein für queere Personen als hier bei uns. Wir sind hier nicht im Paradies, aber es geht hier noch.
Was meint eigentlich queer?
Nach meinem Verständnis wird darunter alles abseits der heterosexuellen Norm gefasst: Lesben, Gays, Bi, trans* und non-binäre Personen. Es gibt das Akronym LGBTQ+ dafür – aber dank des Begriffs „queer“ müssen wir nicht mehr gefühlt das halbe Alphabet aufsagen, um alle Identitäten und sexuellen Orientierungen zu betiteln.
Es wird sehr viel über sexuelle und Gender-Orientierungen diskutiert. Ist die Akzeptanz für queere Lebensformen gewachsen?
Grundsätzlich würde ich sagen, sind wir in Deutschland schon relativ weit. Aber meiner Beobachtung nach gibt es einen wieder ansteigenden Konservativismus, geprägt durch Social Media. Einige können mit der Offenheit, mit der wir hier leben, nur schwer umgehen. Ich persönlich werde meinen Beitrag dazu leisten, aufzuschreien und Stopp zu rufen, solange noch Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert werden, ob mündlich, seelisch oder körperlich. So geht es nicht. Aber das ist natürlich eine Lebensaufgabe.
Sind solche Diskriminierungserfahrungen an bestimmte Orte gebunden?
Das kann eigentlich überall passieren, meist aber im öffentlichen Raum. Neulich habe ich von einem schwulen Paar gehört, das am U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz verbal attackiert wurde. Ich kann nur ermutigen, jede Diskriminierung zur Anzeige zu bringen. Es ist wichtig, dass solche Vorfälle erfasst werden. Wir sind auch gerne bereit, Betroffene zu begleiten.
Von wem gehen diese Bedrohungen aus?
Das können Männergruppen sein, ich bin aber auch schon von Frauen beleidigt worden. In unserer Anfangszeit im House of Queers flogen mal Steine über den Zaun, einer hat mich nur knapp verfehlt. Die Mädchen sind dann schnell weggerannt.
Was kann man dagegen tun?
Wir versuchen, uns in der direkten Nachbarschaft des House of Queers mit vielen Initiativen zu vernetzen, aber auch mit Schulen und der Schulsozialarbeit zu kooperieren, um solche Vorfälle zur Sprache zu bringen. Denn viele Täterinnen und Täter sind noch sehr jung und wiederholen einfach die Sprüche, die sie zu Hause hören. Mit unseren direkten Nachbarn, dem Christlichen Verein Junger Menschen, verstehen wir uns sehr gut. Zur Polizei habe ich auch einen guten Draht und habe bisher im Bezirk überall offene Türen eingerannt, sei es im Rathaus oder bei anderen Vereinen. Ich höre oft: Wie schön, dass es euch gibt.
Was zeichnet einen Safer Space wie das House of Queers Berlin aus?
Hier können queere Menschen unter sich sein, um sich auszutauschen, kennenzulernen und gemeinsame Aktivitäten zu unternehmen, ohne gestört zu werden und ohne sich erklären zu müssen. Bei uns ist jeder willkommen. Mit Gleichgesinnten lässt sich leichter sprechen als mit anderen.
Welche Angebote gibt es im House of Queers Berlin für die LGBTQ+-Community?
Unseren Verein habe ich gegründet, weil es in Reinickendorf keinen einzigen Ort für queere Personen gab. Wir haben dann 2022 den Zuschlag für das Grenzhäuschen der GESOBAU erhalten und halten seitdem dort vor allem im Sommer regelmäßige Treffen ab. Inzwischen bietet der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg dort auch Jugendarbeit an. Die Jugendlichen kommen aus ganz Reinickendorf, sie kochen und basteln gemeinsam, sind sehr kreativ. Neulich haben sie einen Drag-Workshop gemacht. Im Sommer nutzen wir das Gelände zum Draußensitzen und Grillen. Es gibt selbst gezimmerte Bänke und Hochbeete, wir haben bereits die erste queere Tomate geerntet – sehr lecker. Auf diese Weise ist ein lebendiges queeres Zentrum entstanden. Wie ein Kollege neulich so schön sagte: Es sieht zwar nicht aus wie ein Leuchtturm, aber es ist ein Leuchtturm.
Jeden letzten Donnerstag im Monat lädt das House of Queers Berlin von 17 bis 20 Uhr zum offenen Treff ein. Einzelberatungen bitte unter info@regenbogen-reinickendorf.de anfragen.
Termine zur queeren Jugendarbeit gibt es auf Instagram bei: @houseofqueers.berlin
Interview und Text: Judith Jenner / Bild: Sonja Mueller