Lernen mal anders Drei kreative Lernorte, die in Berlin begeistern
Jedes Kind denkt und lernt individuell. Das ist in der Theorie schon lange bekannt. Wie bunt, lebhaft und interaktiv das im Bildungsalltag aussehen kann, zeigen drei außergewöhnliche Lernorte inmitten der Hauptstadt.
Interaktiver Lernspaß im Kindermuseum
In einer ehemaligen Fabrikhalle balanciert die fünfjährige Annie durch eine stilisierte Unterwasserwelt mit Korallen, Fischen und Schildkröten. Die farbenfrohe Umgebung mit Wandbildern und Versuchsstationen ist Teil der aktuellen Ausstellung „Natürlich heute! Mitmachen für morgen“ im Labyrinth Kindermuseum an der Osloer Straße im Stadtteil Gesundbrunnen. Sie zeigt unter anderem spielerisch, wie das Ökosystem Meer funktioniert und durch Umweltverschmutzung und Artensterben aus dem Gleichgewicht geraten kann.
„Wir haben uns überlegt, wie wir Kindern dieses große und schwer greifbare Thema Umweltschutz nahebringen können“, erläutert Leiterin Ursula Pischel. „Mit Tieren können sich viele Kinder identifizieren. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass wenn eine Art ausstirbt, das gesamte System in Gefahr ist.“ An einer anderen Ecke verkleiden sich kleine Besucher*innen im „Arbeitsamt der Tiere“ als Ameise oder Bär. Sie halten eine „Jobbeschreibung“ in den Händen, in der steht, was ihre Aufgabe im Wald ist, zum Beispiel den Müll einsammeln. Das setzen sie dann an den einzelnen Stationen um.
Spielerisches Ausprobieren steht bei den Ausstellungen des Kindermuseums im Vordergrund. Statt verstaubter Exponate oder strenger „Berühren verboten“-Schilder ist Mitmachen angesagt – und zwar nicht nur vormittags für Kitas und Schulen, sondern auch am Nachmittag und an Wochenenden. Es gibt ein Ferienprogramm, und sogar Kindergeburtstage können hier gefeiert werden. „Wir möchten Impulse geben, die die Kinder hoffentlich in ihre Familien und Schulen tragen“, sagt Ursula Pischel. „Wenn sie dann an anderer Stelle etwas über Umweltschutz hören, fällt ihnen das hier Erlebte vielleicht wieder ein.“
Noch bis zum Sommer 2023 läuft die aktuelle Ausstellung zum Klimaschutz. In der Vergangenheit widmete sich das Museum bereits der Stadtentwicklung und kulturellen Vielfalt. Das zukünftige Thema steht noch nicht fest. Annie ist aber schon gespannt, in welche Welt sie als Nächstes eintauchen darf.
Besuchen Sie das Labyrinth Kindermuseum:
Osloer Straße 12, 13359 Berlin
Do bis Fr 13–18 Uhr
Sa bis So 11–18 Uhr
Tel. 030 800931150
www.labyrinth-kindermuseum.de
Naturwissenschaft und Technik entdecken im HELLEUM
Fragestellungen selbst zu entwickeln und Antworten zu finden, darum geht es im Kinderforscherzentrum HELLEUM in Hellersdorf. Die Klasse 5 a der Grundschule am Schleipfuhl ist an diesem Tag zu Gast und hat sich einen Vormittag lang mit dem Element Wasser beschäftigt. Das Team hat dafür mehrere Versuchsstationen aufgebaut. Die Kinder können Muscheln und Korallen mikroskopieren, im Garten Wasser durch ein Rohrsystem fließen lassen oder beobachten, wie Filterpapier sich mit farbiger Flüssigkeit vollsaugt. Mal gibt es Bögen mit Zeichnungen als Anregung, andere Experimente kommen ganz ohne Beschreibung aus. Auch eine vorgeschriebene Reihenfolge gibt es im HELLEUM nicht. Anders als im Schulalltag, kann sich hier jeder Gast selbst aussuchen, womit er oder sie sich wie lange beschäftigen möchte. „Die Kinder können und sollen sich bei uns von ihren eigenen Interessen leiten lassen“, erläutert Leiterin Olga Theisselmann.
Das Forschungszentrum ging vor zehn Jahren aus einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen der Alice Salomon Hochschule Berlin, dem Bezirk Marzahn-Hellersdorf und der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hervor. Seitdem verbringen Schulklassen aus ganz Berlin ihre Vormittage im HELLEUM und erkunden naturwissenschaftliche Phänomene wie Wind- und Sonnenkraft. Es gibt aber auch Kurse zu angewandter Mathematik, Mechanik oder Recycling.
Elke Hellmich ist zum zweiten Mal mit ihren Schüler*innen im HELLEUM. „Den Platz, um so viele Versuche aufzubauen und mit Wasser zu matschen, hätten wir in der Schule gar nicht“, sagt die Klassenlehrerin. „Hier können die Kinder selbst aussuchen, was sie interessiert.“ In der Abschlussrunde lassen die Schüler*innen zusammen mit ihrer Lehrerin und den Pädagog*innen des HELLEUMS noch einmal Revue passieren, was sie an diesem Vormittag erforscht haben. Zum Beispiel, wie das farbige Zuckerwasser unter dem ungezuckerten Wasser schwimmt. Oder wie sich ein faustgroßer Eiswürfel in Windeseile im Wasser auflöst. Richard erklärt seinen Mitschüler*innen das Prinzip einer Dampfmaschine, das er bereits von seinem Onkel kennt. Luis hat mit zwei Klassenkameraden draußen einen Staudamm gebaut und festgestellt: Wasser sucht sich immer einen Weg.
„Oft kommen die Kinder nachmittags wieder“, schildert Olga Theisselmann ihre Erfahrung. An zwei Nachmittagen in der Woche steht das HELLEUM Besucher*innen offen. Kinder können an den Versuchstischen werkeln oder Experimente aufbauen. Es gibt Ferienworkvshops sowie das Tüfteltheater „Helle & Leum“, das durch ganz Deutschland tourt. Um die Versuche ins Klassenzimmer zu bringen, wurden Tüfteltruhen entwickelt. Mit Alltagsgegenständen, Messgeräten, Modellen, Werkzeugen und didaktischen Handreichungen können damit Pädagog*innen Versuche im Klassenzimmer durchführen.
In Zukunft möchte das HELLEUM seine Angebote ausweiten. Auf einer Baustelle nebenan entsteht ein Jugendforscherzentrum, das vor allem Oberschulen als außerschulischer Lernort für Naturwissenschaften dienen soll. Das genaue Programm steht noch nicht fest, aber Olga Theisselmann ist optimistisch, 2023 die ersten Klassen willkommen zu heißen.
Besuchen Sie das Kinderforscherzentrum HELLEUM:
Kastanienallee 59, 12627 Berlin
Offene Lernwerkstatt:
Mo 16:30–18 Uhr
Mi 15–18 Uhr (in der Schulzeit)
Tel. 030 91148867
www.helleum-berlin.de
Der Natur auf der Spur im Schul-Umwelt-Zentrum Berlin Mitte
Im Schul-Umwelt-Zentrum (SUZ) an der Scharnweberstraße im Wedding steht das aktive Lernen im Einklang mit Natur und Tier im Vordergrund. Can und Amelia, die an diesem sonnigen Vormittag mit ihrer Schulklasse zu Besuch sind, können die große Zucchini in ihren Armen nur mit Mühe halten. Immer wieder rutscht das schwere Gemüse aus ihren Händen.
„Kommt die auch in die Suppe?“, fragt ihre Klassenkameradin Mine die Lehrerin. „Die heben wir uns auf“, antwortet Hanna Wollschläger. „Sonst läuft der Topf noch über.“ An Gemüse soll es heute tatsächlich nicht fehlen: Radieschen, Auberginen, Mangold und verschiedene Kräuter gibt es wie den fast unaussprechlichen Topinambur. Als kleine Wurzel baumelt er unscheinbar an einer gelben Pflanze, die der achtjährige Can aus der Erde geholt hat. Das gesunde Gemüse hat er noch nie zuvor probiert. Nun soll es im Eintopf landen, den die Kinder gemeinsam zubereiten.
Alle zwei Wochen kommt Hanna Wollschläger mit ihrer Klasse 3 a von der Till-Eulenspiegel-Grundschule in Reinickendorf für einen Vormittag ins SUZ. Von der befahrenen Kreuzung aus lässt sich nicht erahnen, dass sich zwischen den Häusern zahlreiche Beete, ein kleiner Wald und sogar eine 10.000 Jahre alte Sanddüne befinden. Ein Ort zum Forschen, Spielen und Lernen für Grund- und Oberschüler*innen, der an einigen Nachmittagen auch anderen Besucher*innen offensteht.
„Was nur wenige wissen: Jeder Bezirk hat eine solche Gartenarbeitsschule“, erklärt Leiterin Juliane Orsenne. „Sie entstanden nach dem Zweiten Weltkrieg, um Kindern beizubringen, wie sie sich mit Gemüse selbst versorgen können.“ Der Bezirk Mitte hat sogar drei Standorte, an denen Schulklassen im Rahmen von Workshops Beete pflegen, kochen, backen, mikroskopieren und mit Naturmaterialien kreativ sein dürfen.
Im Gewächshaus ziehen Gärtner*innen Pflanzen heran für den eigenen Gebrauch und die Schulgärten in der Umgebung. Dass Ernte manchmal auch Frust bedeutet, erleben die Kinder hautnah: Da der Rest der Saat nicht aufging, musste die Lehrerin die einzige ausgewachsene Möhre gerecht in 23 Stückchen teilen. Auch die meisten Tomaten fielen entweder matschig vom Strauch oder wurden gar nicht erst rot. „Solche Erfahrungen steigern die Wertschätzung für Lebensmittel“, sagt Hanna Wollschläger.
Inzwischen köchelt eine Suppe aus der eigenen Ernte in einem gusseisernen Topf über dem Lagerfeuer. „Das sieht so schön aus wie ein Hexenkessel“, sagt Elias verträumt. Wenn es nach den Kindern ginge, könnte Schule jeden Tag so aussehen.
Besuchen Sie das Schul-Umwelt-Zentrum Berlin Mitte:
Scharnweberstraße 159, 13405 Berlin
Mo bis Do 7–15:30 Uhr
Fr 7–14:30 Uhr
Tel. 030 49870409
www.schulumweltzentrum.de
Text: Judith Jenner / Fotos: Verena Brüning